Bamberger Seminar für Orthopädie und Unfallchirurgie
Trotz Karnevalsauftakt fand das Bamberger Seminar für Orthopädie und Unfallchirurgie am 11.11.2017 regen Zuspruch. Statt Alaaf und Helau standen aktuelle Behandlungsmethoden für die untere Extremität auf der Agenda. 54 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgten der Einladung des Ärztlichen Kreisverbandes Bamberg und diskutierten mit den 5 Referenten.
3D-Druck in der Gelenkchirurgie
Den Auftakt machte Prof. Dr. med. Michael Jagodzinski mit seinen Ausführungen zum 3D-Druck in der Gelenkchirurgie. Als Chefarzt für Orthopädie und Unfallchirurgie am Agaplesion Ev. Klinikum Schaumburg stellte er die Vorteile individualisierter Knieimplantate vor: eine bessere Passform, geringere Resektionshöhen, die natürlichere Kinematik des Gelenks sowie eine verbesserte Stabilität über den gesamten Bewegungsradius. Damit sei der maßgefertigte Gelenkoberflächenersatz derzeit unübertroffen hinsichtlich Knochenerhalt und Funktionalität. Noch einen Schritt weiter gedacht sind biologische Implantate, die 2015 erstmals am Menschen erprobt wurden. Nach Rekonstruktion des Knochens wird eine in-vivo Kulturkammer implantiert, in der künstliches Knorpelgewebe wächst. Langzeitstudien werden die Wertigkeit der individuell angepassten Implantate zeigen.
„Röntgen lässt sich häufig vermeiden“
Anhand aktueller Leitlinien gab Prof. Dr. med. Peter Strohm ein Update zur Behandlung von Sprunggelenksverletzungen. Bei der Diagnostik von Außenbandrupturen habe die klinische Untersuchung einen hohen Stellenwert, so der Chefarzt der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie der Sozialstiftung Bamberg. Denn bei Beachtung der Ottawa Ankle Rules lasse sich ein Röntgen häufig vermeiden. Im Hinblick auf die Therapie sei die konservative Behandlung die erste Wahl. Operationen zeigten bei Rupturen zumeist keine besseren Ergebnisse und bergen zusätzliche Risiken. Zur Diagnose von Sprunggelenkfrakturen sei neben dem standardmäßigen Röntgen das CT großzügiger einzusetzen. Bei offenen Brüchen oder schweren geschlossenen Weichteilschäden ist laut Strohm eine Notfalloperation angezeigt. Aber auch andere OP-Verfahren sollten möglichst innerhalb von sechs bis acht Stunden nach der Verletzung durchgeführt werden.
Muskelverletzungen konservativ behandeln
Die Behandlung von Muskelverletzungen war Thema des dritten Referenten, Dr. med. Stefan Mattyasovszky von der Universitätsmedizin der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Als Mannschaftsarzt des FSV Mainz weiß er, dass noch vor der Diagnostik eine rasche Erstversorgung nach der PECH-Regel zählt. Für die weitere Behandlung verweist der Sportmediziner mangels Evidenz und allgemeingültiger Leitlinien auf die Erfahrungsmedizin von Spezialisten mit hohen Fallzahlen. Außer bei (sub-)totalen Rissen lassen sich die meisten Muskelverletzungen in der Regel konservativ behandeln, beispielweise mit neueren innovativen Behandlungsmöglichkeiten wie der Stoßwellentherapie. Von den gängigen Infiltrationsbehandlungen könne nach aktuellem Stand der Wissenschaft und der Evidenzlage keine generell empfohlen werden, so Mattyasovszky. Tabu seien außerdem Schmerzmittel, die Warnsignale ausschalten und die Heilung verlangsamen. Schnelle „Wunderheilungen“ stellt der Sportarzt bei Muskelverletzungen nicht in Aussicht – umso wichtiger sei die Prävention.
Kreuzbandriss: Schubladentest nicht zuverlässig
Aktuelle Einsichten zur Rekonstruktion des vorderen Kreuzbandes (VKB) teilte PD Dr. med. Thore Zantop vom Sporthopaedicum Straubing. Ein Riss des VKB führt zur Instabilität im Kniegelenk und in der Folge zu einer Überlastung der Menisken und zu Osteoarthrose. Um dies zu vermeiden, ist eine operative Rekonstruktion in vielen Fällen sinnvoll. Zur Absicherung der OP-Indikation unterstreicht Zantop die Bedeutung der klinischen Untersuchung inklusive Seitenkontrolle mit dem gesunden Bein: Da der klassische Schubladentests nicht zuverlässig sei, empfiehlt er den stabilen Lachman-Test und den Pivot-Shift-Test sowie Rosenberg-Aufnahmen. Bei der arthroskopischen VKB-Rekonstruktion gibt es derzeit keine gute Alternative zur Tunneltechnik. Dabei sei eine anatomische Tunnelführung entscheidend für Beweglichkeit und Haltbarkeit des Bandes. Denn eine femorale oder tibiale Fehlplatzierung kann einen erneuten Eingriff notwendig machen.
Rheuma betrifft nicht nur die Hände
Den Abschluss des Seminartages machte der wissenschaftliche Leiter der Veranstaltung, Dr. med. Wolfgang Willauschus von der Bamberger Praxisklinik alphaMed. Er beleuchtete die konservativen und operativen Therapieoptionen bei Rheuma-Fuß. Denn neben den Händen seien auch Fuß und Sprunggelenk häufig von der Gelenkzerstörung durch rheumatoide Arthritis betroffen. Da bei Rheuma-Patienten die Sehnen als aktive Stabilisatoren geschwächt werden, können sich Fußdeformitäten ausbilden. Mobile Deformitäten sind passiv korrigierbar, weshalb Willauschus zu einer frühzeitigen orthopädieschuhtechnischen Versorgung rät. Zusammen mit einer medikamentösen Behandlung ließen sich so die Gelenke länger erhalten und eine OP hinauszögern. Operative Eingriffe werden im fortgeschrittenen Stadium notwendig – etwa ein Vorfußalignement beim kontrakten rheumatischen Spreizfuß oder eine Versteifung des Rückfußes.
Jetzt schon nächsten Termin vormerken
Mit aktuellen Vorträgen und regen Diskussionen war das Seminar auch dieses Mal wieder eine lohnende Gelegenheit zur Weiterbildung. Die Teilnahme wird von der Akademie für Fortbildung der Bayerischen Landesärztekammer anerkannt und zertifiziert. Die Organisation des Seminars hatte der Ärztliche Kreisverband an den Sponsor Ofa Bamberg übertragen. Die nächste Veranstaltung findet am 09.06.2018 statt.
Hier finden Sie die Pressemitteilung und das Bildmaterial zum Download:
Pressemitteilung Bamberger Seminar für Orthopädie und Unfallchirurgie 1,3 MB
Bildmaterial Bamberger Seminar für Orthopädie und Unfallchirur 27,1 MB