Vorträge mit Fokus auf die digitale und physische Zukunft des medizinischen Fachhandels.
Die digitale Vernetzung spielt auch im medizinischen Fachhandel eine immer größere Rolle. Wie sich Online- und stationärer Handel gewinnbringend verbinden lassen, konnten rund vierzig Sanitätshaus-Inhaber beim Ofa-Seminar erfahren. Daneben boten die Themen Ladengestaltung, Sortimentspolitik, Personalentwicklung und Kooperationen ein breites Spektrum an relevanten Informationen. Das mittlerweile vierte Bamberger Inhaberseminar fand Anfang Juni im Hotel Residenzschloss statt.
Das Sanitätshaus unter Generalverdacht - Kooperationen in Zeiten des §299a StGB
Dipl. Pflegewirt und Sachverständiger Thorsten Müller referierte zu einem brandaktuellen Thema. Nach Inkrafttreten des Anti-Korruptionsparagrafen §299a StGB herrscht Unsicherheit in der Hilfsmittelbranche was ist noch erlaubt, was nicht? Mit dem neuen Gesetz greift nicht mehr nur die Berufsordnung für Ärzte, sondern auch das Strafgesetzbuch. Somit sind sogar Freiheitsstrafen möglich. Mit seiner charmanten pfälzischen Dialektfärbung verdeutlichte Thorsten Müller den Teilnehmern, wo sie künftig "uffbasse" müssen. Zuweisungen gegen Entgelt oder sonstige Vorteile sind absolut tabu. Die rege Beteiligung der Seminarteilnehmer zeigte, dass das Thema reichlich Kontroversen hervorruft. Dazu fand der Referent allerdings auch beruhigende Worte: "Bleiben Sie tiefenentspannt. Vieles ist weiterhin möglich!"
Personalentwicklung ist Zukunftssicherung
Auch die Personalentwicklung ist ein wichtiges Thema für den medizinischen Fachhandel. Viele Arbeitgeber haben massive Probleme, vakante Stellen neu zu besetzen. Michael Gersmann, Inhaber und Geschäftsführer der Beratungsgesellschaft med IQM in Soest zeigte mit seinem Vortrag, wie man "den Richtigen" finden und auch binden kann. Denn für ihn ist klar: "Ohne Personalentwicklung kann kein Unternehmen funktionieren." Der Großteil der Teilnehmer empfindet es als schwierig, geeignetes Personal zu finden. Gersmann rät deshalb, das Personal besonders sorgfältig auszuwählen. Dabei helfen ansprechende Stellenanzeigen und ein Leitfaden für Vorstellungsgespräche. Eine Bindung zum Unternehmen bauen Mitarbeiter dann auf, wenn sie Anerkennung und Wertschätzung erfahren. Dazu gehören nicht nur Bonuszahlungen oder flexible Gehaltsbestandteile. Regelmäßige Feedbackgespräche zeigen darüber hinaus Interesse am Einzelnen und bieten ihm Orientierung.
Ertragsoptimierung durch Sortimentspolitik
Mit Detlef Möller, Geschäftsführer der Stolle Sanitätshaus GmbH & Co. KG konnte das Inhaberseminar einen Referenten bieten, der die Branche aus dem gleichen Blickwinkel betrachtet wie das Publikum. Als Leiter des größten Anbieters für individuelle Gesundheitslösungen in Norddeutschland berichtete er sehr offen über seine Erfahrungen mit dem Thema Ertragsoptimierung durch Sortimentspolitik. Mit der Zielrichtung niedriger Wareneinsatz und hoher Rohertrag begann Stolle vor einigen Jahren, sein Sortiment konsequent durchzustrukturieren. Möller betonte dafür vor allem drei Aspekte, die über den Erfolg oder Misserfolg entscheiden: Konzentration auf Kernkompetenzen, ehrliche Analyse der Situation und konsequentes, nachhaltiges Umsetzen der beschlossenen Maßnahmen. Beispielsweise hat Stolle gemeinsam mit Ofa Bamberg ein klar unterteiltes Kompressionsstrumpf-Sortiment in allen Filialen etabliert. Die sichtbare Aufgliederung in nachvollziehbare Produktklassen ist für den Kunden plausibel und fördert dessen eigenverantwortliche Entscheidung für ein bestimmtes Produkt. Die Stolle Sanitätshäuser konnten so ihren Gewinn erhöhen.
Wie viel Internet passt zwischen Werkstatt und Kassentheke?
Andreas Haderlein, Wirtschaftspublizist und Innovationsberater, zeigte in seinem Vortrag, worauf sich der medizinische Fachhandel einstellen muss und welche Chancen mit der Digitalisierung verbunden sind. Der Mitgestalter des Pilotprojekts Online City Wuppertal appellierte an die Anwesenden, On- und Offlinehandel aktiv zu verknüpfen. Starkes Servicebewusstsein und hohe Beratungsqualität sind für ihn die wichtigsten Hebel, um Kunden zu überzeugen und dem klassischen Ladengeschäft ein modernes Image zu verleihen. Haderlein sieht in einer Neuauflage des lokalen Marketings ("local branding") eine Antwort auf die zunehmende Digitalisierung. Mit Beispielen aus der Praxis konnte er dem Publikum einen guten Einblick in die Herausforderungen geben, vor denen auch der medizinische Fachhandel steht. Die Fragen und Diskussionen während des Vortrags machten deutlich, wie die Digitalisierung den Alltag und die Branche verändert.
Sind Sanitätshäuser noch zeitgemäß?
Mit dieser provokanten Frage regte der letzte Referent, Henry Walther, Geschäftsführer der k+w Gesellschaft für Kommunikation und Weiterbildung, zum Nachdenken an. Die Anforderungen der Kunden im Gesundheitsmarkt ändern sich, weiß der Kommunikationspsychologe aus über 30 Jahren Beratung für die Optikerkette Fielmann. Gerade die ältere Zielgruppe sei im Umbruch - die sogenannten "jungen Alten" zwischen 65 und 74 Jahren hätten ganz andere Ansprüche als die vorherige Generation. Sie stehen aktiv im Leben und fühlen sich von Sanitätshäusern oft nicht angesprochen. Hier sieht Walther vielfach Nachholbedarf bei Außenauftritt und Ladengestaltung: Nicht die Krankheit sollte im Mittelpunkt stehen, sondern das, was gut tut und das Leben erleichtert. Ein überschaubares Sortiment, Produktinseln, große Beschriftungen bieten Orientierung im Ladengeschäft. Bei der Beratung schaffen Einzelkabinen Vertraulichkeit. Dabei sei ein respektvoller Umgang wichtig, der die Bedürfnisse älterer Menschen und nicht die Verkaufsinteressen des Sanitätshauses in den Mittelpunkt stellt.
Das nächste Bamberger Inhaberseminar wird am 29. und 30. Mai 2017 stattfinden.
Hier finden Sie die Pressemitteilung und Bildmaterial zum Herunterladen:
Pressemitteilung 289,5 KB
Bildmaterial Bamberger Inhaberseminar 38,9 MB
