Viele Lipödem-Patientinnen sind heftigen Vorurteilen ausgesetzt: Sie würden sich nicht gesund ernähren, zu wenig Sport treiben und sich gehen lassen.
Diese Stereotypen treffen in den meisten Fällen nicht zu, denn das Lipödem ist eine chronische Fettverteilungsstörung, für die die Patientinnen nicht selbst verantwortlich sind. Dennoch können sich Lipödeme und Adipositas gegenseitig verstärken. Mehr als 50 Prozent der Lipödempatientinnen in Deutschland sind adipös[1].
Adipositas verschlimmert das Lipödem
Viele Patientinnen, die unter der Fettverteilungsstörung Lipödem leiden, sind infolge gescheiterter Diätversuche frustriert und glauben, eine Gewichtszunahme sei ohnehin nicht aufzuhalten. Hier beginnt der Teufelskreis: Viele verlieren den Mut, durchzuhalten und achten nicht mehr auf das Gewicht und eine gesunde Ernährung.
Sie werden übergewichtig. Das zusätzliche Fettgewebe durch das Übergewicht belastet den ganzen Körper und schließlich auch das Lymphsystem. Deshalb ist Adipositas in den meisten Fällen auch die Ursache, wenn sich sekundäre Lymphödeme ausbilden und es zu der Mischform Lipo-Lymphödem kommt.
Adipositas und die Gefahren
Unter Adipositas ist starkes, krankhaftes Übergewicht zu verstehen, welches oft mithilfe des Body-Mass-Index (BMI) gemessen wird. Dieser errechnet sich durch das Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße im Quadrat. Als adipös gilt nach einer Definition der Weltgesundheitsorganisation, wer einen BMI über 30 kg/m2 aufweist. Da der BMI allerdings keine Aussage darüber zulässt, ob die Körpermasse aus Fett oder Muskeln besteht, wird mitunter Kritik an dieser Methode laut. Deshalb werden auch andere Faktoren wie z. B. der Bauchumfang oder das Verhältnis zwischen Taillen- und Hüftumfang (die sog. waist-to-hip-ratio, WHR) zur Adipositas-Diagnose herangezogen.
Adipositas kann verschiedene schwerwiegende Folgeerkrankungen nach sich ziehen, wie z. B. Bluthochdruck, eine Fettleber oder Diabetes Mellitus. Auch Bandscheibenvorfälle aufgrund von Überbelastung können die Folge sein. Zudem erhöht Adipositas das Risiko an einer Thrombose zu erkranken.
Unterschiede – Nicht alles, was aussieht wie Adipositas, ist Adipositas
Gerade im Anfangsstadium sind Lipödem und Adipositas nur schwer voneinander abzugrenzen. Bei einem reinen Lipödem sind die Proportionen zwischen Oberkörper und Beinen bzw. Hüften extrem unterschiedlich und die Fettvermehrung ist vor allem an Beinen, Hüften und Po zu sehen. Der Oberkörper bleibt in den meisten Fällen weitgehend schlank. Bei adipösen Patientinnen tritt das Übergewicht dagegen am ganzen Körper auf.
Das Lipödem ist vererbbar, d.h. es sind häufig auch andere weibliche Familienmitglieder betroffen. Das wesentliche Unterscheidungskriterium sind aber die Beschwerden: Lipödem-Patientinnen bekommen sehr schnell blaue Flecken und verspüren starke Druckschmerzen, während übergewichtige Patienten ohne Lipödem meist beschwerdefrei sind.
Was können Betroffene tun?
Eines haben das Lipödem und die Adipositas gemeinsam: Bei beiden handelt es sich um eine chronische Erkrankung. Wer darunter leidet, benötigt Hilfe und die richtige Therapie.
In Selbsthilfegruppen können Betroffene nicht nur wertvolle Kontakte knüpfen, sondern sich auch gegenseitig unterstützen und motivieren. Lipödem-Selbsthilfegruppen sprechen oft auch Lymphödem-Patienten an. Wichtige Links und Adressen sind im Lipödem-Portal des Lymphologischen Informationsdienstes zu finden. Der Adipositas Verband Deutschland e.V. bietet eine Übersicht aller Adipositas-Selbsthilfegruppen in Deutschland.
Um ein Lipödem ursächlich zu behandeln, hilft nur eine Liposuktion, bei der die krankhaften Fettzellen entfernt werden. Diese sollte allerdings nur bei normalgewichtigen Patientinnen durchgeführt werden. Daher gilt es zunächst, das Übergewicht durch die Adipositas zu verringern. Eine Ernährungsumstellung, ausreichend sportliche Betätigung und eine gesunde Lebensweise können nicht nur die Lipödem-Beschwerden verringern, sondern auch bei der Gewichtsreduktion oder -normalisierung helfen.
Als konservative Therapie kommt meist die Komplexe Physikalische Entstauungstherapie zum Einsatz, um das Ödem aufzuhalten und die Beschwerden zu reduzieren. Sie besteht aus manueller Lymphdrainage, Kompressionstherapie, Sport und Bewegung, Hautpflege und Selbstmanagement.
[1] Faerber G. Ernährungstherapie bei Lipödem und Adipositas – Ergebnisse eines leitliniengerechten Therapiekonzepts. Vasomed 4/2017, S. 176-177.